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Voyeurismus pur?

Als ich damit begann, hatte ich noch eine gute Ausrede dafür: Jeden Tag ein bisschen Französisch lesen. Wirklich nur ein bisschen. Denn die die kleinen Geschichten auf der Seite viedemerde.fr sind wirklich sehr kurz. Unterhaltsam sind die kleinen Anekdoten aus dem Alltag obendrein. In wenigen Sätzen werden Peinlichkeiten oder sonstige Blamagen erzählt, alles was darauf hindeutet, dass man eben ein scheiß Leben habe, une vie de merde. Die Betreiber der Seite geben zwar an, sie würden nur Geschichten aufnehmen, die sehr wahrscheinlich wären (überprüfen ließen sie sich eben nicht), doch klingen sehr viele davon nur wenig realistisch. Aber das ist wohl egal, denn nicht nur ich, sondern auch Tausende anderer Menschen mit mir, genießen es, die Geschichten zu lesen.

Was macht die Seite so erfolgreich? Erfreuen wir uns am Unglück anderer? Ich erinnere mich an eine Sendung aus meiner Kindheit „Bitte lächeln“, in der sich die Leute kaputtlachten, über Videos, in denen sich Leute wohl ziemlich heftig verletzten. Als empathiefähige Wesen sollte man meinen, wir müssten Mitleid haben, da uns allen bestimmt mal etwas Peinliches oder richtig Dummes passiert ist und wissen, wie man sich fühlt.
Das Internet mit seiner (angeblichen?) Anonymität hat übrigens eine neue Qualität an solch peinlichen Geschichten hervorgebracht, denn die Leute machen hier öffentlich, was sie oft wohl nicht einmal ihren Freunden erzählen würden. Nirgendwo sonst als im Internet wird wohl so freigiebig über das eigene Liebesleben erzählt. Aber die Frage bleibt trotzdem: Warum können wir darüber lachen? Sind wir alle vielleicht ein bisschen voyeuristisch veranlagt?
Nun, ich bin es wohl, denn seit drei Jahren lese ich fast täglich Peinlichkeiten, Missgeschicke und einfach Gründe, warum das Leben grausam ist.
Übrigens gibt es die Seite mittlerweile auch auf Deutsch: Mein scheiß Leben (Motto: Mein Leben ist scheiße und ihr könnt mich alle mal). Seltsamerweise kann ich dieser Seite einfach nichts abgewinnen. Schlecht formulierte Geschichten, die mich eher peinlich berühren als erheitern. Vielleicht ist Voyeurismus also doch nicht die richtige Diagnose.

 
Ein Kommentar

Verfasst von - 29. Februar 2012 in Allgemein, Gedanken

 

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