Eine Freundin fragte mich am Freitag via SMS, ob ich meinen Bikini in Paris hätte. Sie habe gehört, das „Piscine Le Louvre“ eröffne bald. Wie bitte? Habe ich da etwas verpasst? Ganz offensichtlich, wie es scheint. Ein Blick ins Internet verriet mir, dass Paris zwar nicht gerade von einer Jahrhundertflut bedroht, der Pegelstand der Seine aber immerhin erheblich gestiegen ist. Da ich auf meinem Weg zu meiner Lieblingsbibliothek nicht an der Seine vorbeikomme, ist der Wasseranstieg unbemerkt an mir vorbeigegangen. Aber auch als ich vom Hochwasser hörte, konnte mich das zunächst nicht aus den Socken hauen. Als Kind von der Mosel kenne ich dieses Phänomen zur Genüge: überflutete Straßen, Schulwege über Stege und Fahrten mit dem Boot.
Hier herrscht dennoch ein kleinerer Ausnahmezustand (neben dem großen État d’Urgence, der Ende Mai noch einmal um zwei Monate verlängert wurde): Der Louvre und das Musée d’Orsay sind geschlossen, die Kunstwerke werden in Sicherheit gebracht. Einige Metrolinien fahren nicht mehr (und das eben nicht wegen des seit Donnerstag für unbestimmte Zeit ausgerufenen Streiks der RATP). Der Schiffverkehr liegt lahm. Das Wasser steht so hoch wie seit 30 Jahren nicht. Da musste ich hin. Schnell in die Schuhe gehüpft und ausgerüstet mit der Kamera Richtung Seine spaziert.
Am eindrucksvollsten ist der Wasserstand am Pont de l’Alma abzulesen. Dort befindet sich von Osten aus betrachtet am rechten Brückenpfeiler der Zouave, die Statue eines Infanteristen des 19. Jahrhunderts (vor allem der Zeit des Zweiten Kaiserreichs). Wasserhochstand herrscht, wenn der Zouave nasse Füße bekommt, die normalerweise ein gutes Stück aus der Seine herausragen. Nun steht dem armen Mann das Wasser bis zum Bauchnabel. Um hier aber einen Blick auf denn Soldaten werfen zu können, mit dem Eiffelturm im Hintergrund natürlich, muss man sich aber erst an einem Haufen Kameraleute und Fotografen vorbeidrücken, die alle hier ihre sensationslustigen Aufnahmen machen. Ansonsten nimmt sich die Flut recht harmlos aus. Kein Brückenkopf steht unter Wasser, obwohl zumindest die Passerelle Solférino, die ansonsten auf die schöne Uferpromenade der Rive-Gauche-Seite führt, geschlossen ist. Einzelne Treppen entlang der Seine führen ins Nass statt auf festen Untergrund.
Im Juli wird in Paris an zwei Orten Sand aufgeschüttet, um den stressgeplagten Großstadtbewohnern und einem Haufen Zugereister ein Strandfeeling zu bescheren. Wäre es ein wenig wärmer und sonniger, könnte der Bikini nun auch schon einen Monat früher ausgepackt werden. Aber wäre es ein wenig sonniger gewesen, wären auch auf der Uferpromenade keine schwappenden und wogenden Wellen zu bewundern